15. Dezember 2022

Aus der Gemeinderatssitzung vom 14.12.2022

In der Haushaltsrede analysiert der Fraktionsvorsitzende Kurt Bechtel die aktuelle Situation der Gemeinde in politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht. * inkl. Link zum Haushaltsplan

Aus der Gemeinderatssitzung vom 14.12.2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Stalf,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse,
sehr geehrte Gäste,

unser Kämmerer hat bei der Einbringung des Haushaltes 2022 schon seine große Besorgnis hinsichtlich der schwierigen Haushaltssituation deutlich zum Ausdruck gebracht.

Der Haushaltsentwurf 2023 zeigt ein noch dramatischeres Bild.

Man muss kein Prophet sein, um festzustellen, dass sich die finanzielle Lage unserer Gemeinde auch im nächsten Jahr kaum verbessern wird.
Wir befinden uns weiter in einer Zeit großer Unsicherheit.

Ausbleibende bzw. geringe Energie- und Rohstofflieferungen.  bedingt durch Pandemie und Krieg in der Ukraine,  treffen nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Kommunen sowie die privaten Haushalte. Inflation und Rezession erhöhen die Staats- und die Kommunalverschuldung. Im Kern wurde das Lieferkettenproblem deutlich verstärkt und das Wirtschaftswachstum ausgebremst. Das bedeutet für Waldbronn höhere Kosten und sinkende Steuereinnahmen.

Derzeit zeichnet sich ein explosives Krisenszenario ab, das mit hohen Prognoseunsicherheiten verbunden ist.

Bisher konnte Deutschland mit seiner Wirtschaftskraft einzelne Krisenphänomene abfedern.

Wenn aber hohe Inflation und Rezession aufeinandertreffen, dann fehlt das Wachstum zur Krisenfinanzierung.

Schrittweise steigende Zinsen geben der Staats- und der Kommunalverschuldung wieder einen spürbaren Preis. Diese Risiken treffen auf bekannte Handlungsbedarfe wie die Folgen des Klimawandels, des demographischen Wandels und der großen Investitions- und Instandhaltungsbedarfe der Infrastruktur unserer Gemeinde.

Auch die Pandemie kann noch nicht als erfolgreich bekämpft angesehen werden.

Der Krieg in der Ukraine wird aller Voraussicht nach eine weitere Flüchtlingswelle erzeugen, die auch Waldbronn in Bezug auf Unterbringungsmöglichkeiten vor Herausforderungen stellen wird.

Für diesen Krisenmix gibt es keine politischen Handlungsroutinen.

Die Bundesregierung hat vor einiger Zeit auch die Konjunkturprognose deutlich heruntergeschraubt. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte: „Es sind ernste Zeiten. Wir erleben derzeit eine schwere Energiekrise, die sich immer mehr zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise auswächst.“


In diesem Szenario gilt es, den Waldbronner Haushalt für das Jahr 2023 aufzustellen, quasi das Unplanbare zu planen – wahrlich keine leichte Aufgabe. Denn neben den regelmäßigen Ausgaben wie Personalkosten, Strom- und Gaskosten, Zuschüsse an Kindergartenträger und dem ÖPNV, die sich in den nächsten Jahren weiterhin erhöhen werden, müssen Maßnahmen der Investition und Sanierung vom Haushalt gestemmt werden.

Deshalb kommen jedes Jahr die gleichen Warnungen unseres Kämmerers vor der finanziellen Situation der Gemeinde.

Und jedes Jahr wird von einigen Ratsmitgliedern behauptet, dass es nicht so schlimm werden wird.

Wenn es bisher nicht so schlimm wurde, wie vorhergesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, lag dies an folgenden Gründen:

1.   Nicht vorhergesehene Steuereinnahmen

2.   Am Schieben von Maßnahmen und Investitionen in die Zukunft.

Doch nur zum geringsten Teil lag es an strukturellen Einsparungen des Ergebnishaushaltes.

Leider wurden auch seit 2 Jahren in der Haushaltsstrukturkommission keinerlei relevante konkrete Maßnahmen zur Einsparung gemacht.

Und nun stehen wir vor der Situation, dass - wäre Waldbronn ein privatwirtschaftliches Unternehmen – wir Insolvenz anmelden müssten.

Ich möchte hierzu folgende wenige Zahlen und Fakten aufzählen:

· Der Ergebnishaushalt muss diejenigen Mittel erwirtschaften, die für Investitionen benötigt werden. So wie es im Moment aussieht wird der Ergebnishaushalt bis zum Jahr 2026 jährlich Millionen Verluste erleiden.

· Die Summe der gebundenen Mittel übersteigt die liquiden Mittel um mehr als 5 Mio. Euro. Dies bedeutet, dass die Gemeinde keinerlei frei verfügbare Liquidität hat.

· Die Investitionen für das Feuerwehrhaus, die bis zur Realisierung annähernd 13 Mio. Euro ausmachen dürften, sowie die dafür zu zahlenden Zinsen sind im vorliegenden Haushaltsplan ebenfalls noch nicht berücksichtigt.

· Last but not least: Wie entwickelt sich der Schuldenstand in den nächsten Jahren?

Der Haushaltsplan geht per 31.12.2023 von einem Schuldenstand von 26,5 Mio. Euro aus. Wohl gemerkt, ohne Eigenbetrieb Wasserwirtschaft und Kurverwaltung. Diese schlagen nochmals mit fast 10 Mio. Euro zu Buche. Bis 2026 erwartet unser Kämmerer einen Schuldenstand von rund 39 Mio. Euro. Addiert man nun Eigenbetrieb und Kurverwaltung, sowie das kommende neue Feuerwehrhaus dazu, so kommt man auf einen Schuldenstand von weit über 50 Mio. Euro (abzüglich möglicher Zuschüsse für das Feuerwehrhaus).

Wer angesichts dieses Szenarios noch weiter die finanziellen und strukturellen Probleme Waldbronns verharmlost, leidet unter Realitätsverlust.

Waldbronn hat einen großen Investitions- und Instandhaltungsbedarf, doch dieser ist auch mit dem Ergebnishaushalt 2023 nicht zu finanzieren. Es müssen Kredite aufgenommen werden, deren Tilgung und Zinsen in Zukunft den Haushalt belasten.

Auf einige wichtige Maßnahmen möchte ich eingehen:

· Sanierung der Pforzheimer Straße in Reichenbach: Die Finanzierung der Straße wird zwar vom Landkreis übernommen, aber ein Hauptbatzen, nämlich die Erneuerung des Kanalsystems, und die Ertüchtigung der Bürgersteige (Kosten ca. 1,4 Mio. EURO) fallen in den Haushalt der Gemeinde.

· Für einen Verkehrskreisel an der Kreuzung Pforzheimer Str. / Stuttgarter Str. hatte sich sogar die Verkehrsbehörde ausgesprochen. Der Gemeinderat sah das positiv, aber plötzlich wurde aus dem geplanten Mini-Kreisel ein Kleinkreisel bei dem die Mittelinsel nicht überfahren werden kann. Zusätzlich hätte bei dieser Version die Brunnenanlage versetzt werden müssen. Dass die Verkehrsbehörde des Regierungspräsidiums vorschreibt, wie der Kreisel auszusehen hat, obwohl sich der Gemeinderat für eine günstigere Variante ausgesprochen hat, macht dann doch sprachlos. Der Gemeinderat hat dann folgerichtig den Bau eines Kreisels abgelehnt.

· Der barrierefreie Ausbau von Bushaltestellen wird umgesetzt: Für einen besseren Ein- und Ausstieg in die Verkehrsbusse für mobilitätseingeschränkte Personen, aber auch für Familien mit Kinderwagen ist die Ertüchtigung der Haltestellen in Waldbronn ein großer Mehrwert. Auch die Kosten für diese Maßnahme muss die Gemeinde tragen, wobei ein Zuschuss vom Land bezahlt wird. Sukzessive sollen alle 36 Haltestellen in den kommenden Jahren umgebaut werden. Kosten von 428 Tsd. EURO für die ersten 4 Haltestellen sind im Haushalt 2023 eingestellt.

· Ein weiterer Mehrwert für unsere Gemeinde ist die „Toilette für alle“: Dazu gehört neben einer Toilette für behinderte Menschen auch eine öffentliche Toilette. Denn so etwas gibt es in Waldbronn noch nicht. Weitere Ergänzungen wie eine Dusche für Mitarbeiter des Rathauses, einen überdachten Fahrradabstellplatz oder auch ein Unterstand für Raucher wurden hinzugefügt. Es wird mit Kosten von 300 Tsd. Euro gerechnet. Die Diskussion in bestimmten Medien erstaunt, weil doch so viel über den neuen Lifestyle gesprochen wird, und man dringend gute motivierte Mitarbeiter benötigt und vielleicht mit diesen Maßnahmen den Einen oder Anderen überzeugen kann, in der Waldbronner Verwaltung zu arbeiten.

· Neubau von Kindergärten: Sowohl in Etzenrot als auch im Rück 2 sind zwei Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder geplant. Auf dem Gelände des Gesellschaftshauses soll ein 3-gruppiger Kindergarten mit einem ausreichend großen Raum für die Vereine errichtet werden. Im Augenblick muss eine 3. Gruppe im Pfarrsaal betreut werden. Ein Neubau auf dem Areal des alten Kindergartens ist nicht möglich, weil das Gebäude an einem besonderen Naturschutzgebiet liegt. In Etzenrot besteht dringender Bedarf an Betreuungsplätzen. Die ersten Maßnahmen für dieses Projekt schlagen mit 1,85 Mio. Euro im Haushalt 2023 zu Buche. Außerdem ist ein Naturkindergarten am Gelände des Obst- und Gartenvereins mit einem Container vorgesehen. Es wird mit Kosten von 180 Tsd. Euro gerechnet.

· Ein 6-gruppiger Kindergarten ist im Rück 2 vorgesehen. Familien mit Kindern sind schon in ihre Häuser eingezogen oder werden bald dort wohnen. Dringend muss die Planung und die Realisierung in Angriff genommen werden. Dann können auch die teuren Provisorien, die sich am St.-Josef-Kindergarten in Busenbach befinden, aufgelöst werden. Im Moment gibt es nur eine kleine Warteliste an zu betreuenden Kindern, der Bedarf scheint gedeckt, aber das kann sich bei Fertigstellung des Aldi-Projektes und weiterem Zuzug schnell ändern. 250 Tsd. Euro sind für die Planung im nächsten Jahr eingestellt.

· Realisierung des gemeinsamen Feuerwehrhauses für Waldbronn: Durch den vom Gemeinderat gefassten Grundsatzbeschluss, das neue Feuerwehrhaus am Kreisel auf der Fleckenhöhe zu errichten, beginnt nun das Planfeststellungsverfahren. Die Fertigstellung des Gebäudes wird nicht bis 2025 möglich sein. Von der Verwaltung wird mit Ende dieser Dekade gerechnet. Ein Zuschuss wird fließen, aber die erheblichen Restkosten wird die Gemeinde tragen. Es ist bedauerlich und verwundert uns, dass die Fraktion Bündnis90/Die Grünen mehrheitlich für den Standort Fleckenhöhe votiert hat, obwohl sie das Projekt „Rothenbuckel“ selbst per Antrag angestoßen hat.

· Hochwasserschutz: Das Regenrückhaltebecken an der Mannheimer Straße muss mit knapp 600 Tsd. Euro umgesetzt werden, denn bei Starkregen schwappt das Regenwasser mit Schlamm über den Wirtschaftsweg, verstopft die Abflussrinnen und sucht sich seinen Weg in die Anwesen der Anwohner. Auch der Wirtschaftsweg muss anschließend saniert werden, weil er von vielen Radfahrern und Spaziergängern genutzt wird.

· Sanierung von Kurhaus und Thermalwasserstation: Sie sind im Laufe der Jahre marode geworden und müssen dringend saniert werden. Im Haushalt sind für diese Maßnahmen über 1 Mio. Euro eingestellt.

· Zusätzliche notwendige Maßnahmen wie LED-Tausch bei der Straßenbeleuchtung, die Installation von Fotovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden oder ein Sedimentationsbecken für den Hetzelbach sind weitere Ausgaben, die von der Gemeinde gestemmt werden müssen.

Die Summe der Kosten, die alleine für diese Maßnahmen benötigt werden, übersteigt das Volumen des Ergebnishaushaltes bei Weitem. Das bedeutet, dass die Gemeinde ihre Ressourcen nicht erwirtschaften kann und somit einen Vermögensverlust erleidet. Das kann wiederum die Rechtsaufsichtsbehörde auf den Plan rufen, die geplanten Kreditaufnahmen zu reduzieren bzw. nicht zu genehmigen.

Positiv haben wir zur Kenntnis genommen, dass seitens der Verwaltung ein Notfallplan erarbeitet wird, sollte es zu länger andauernden Stromausfällen kommen.

Unsere Wohlfühlgemeinde erfreut sich eines sehr lebendigen Vereinslebens in allen Ortsteilen, welches alle Möglichkeiten sozialer, kultureller und sportlicher Betätigung bietet. Viele Bürgerinnen und Bürger bringen sich hier wie auch bei den Kirchen ehrenamtlich ein. Ohne diesen von Sachverstand und viel Herzblut geprägten Einsatz wäre unser Gemeinwesen nicht vorstellbar. Auch die Feuerwehren und Rettungsorganisationen sind für ein funktionierendes Gemeinwesen unverzichtbar und wir wissen uns bei ihnen stets in guten Händen. Vielen Dank dafür.

Zum 01. Juni haben wir mit Christian Stalf einen neuen Bürgermeister bekommen. Die Freien Wähler unterstützten ihn im Wahlkampf und danken ihm für die bisherige gute geleistete konstruktive Zusammenarbeit.

Wie ich am Anfang meiner Rede schon ausgeführt habe, werden die Haushaltsplanungen für die kommenden Jahre sehr schwierig.

Dennoch werden wir der Haushaltssatzung mit dem Haushaltsplan und dem Wirtschaftsplan Eigenbetrieb Wasserversorgung für 2023 zustimmen.

Gestatten Sie mir noch eine kleine Anmerkung zum Schluss:

Wir sollten froh sein, dass der Gemeinderat nicht nur rein faktenorientiert, sondern auch politisch entscheidet. Denn würde der Gemeinderat nur die Fakten beachten und nicht die Balance halten zwischen notwendigen und freiwilligen Leistungen, wären bestimmte freiwillige Einrichtungen in Waldbronn bereits geschlossen worden.

Ich wünsche Ihnen, liebe Bürgerinnen und Bürger, allen Mitgliedern des Gemeinderates, unserem Bürgermeister Christian Stalf, und der gesamten Verwaltung im Namen der Freien Wähler Waldbronn gesegnete Weihnachten und alles Gute vor allem Gesundheit für das kommende Jahr 2023.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Kurt Bechtel

Fraktionsvorsitzender Freie Wähler Waldbronn


Link zum Haushaltsplan 2023

Gemeinde Waldbronn | Ortsrecht
Externer Link: Haushaltspläne am Ende der Seite als PDF-Download

26.10.2022 - Gemeinderat - Haushaltsplanentwurf 2023: Bürgermeister Stalf gibt seine Stellungnahme ab

Dieser Tagesordnungspunkt hatte es in sich, denn nicht wie bisher üblich gab der Bürgermeister zusammen mit den einzelnen Fraktionsvorsitzenden seine Rede zum Haushalt für das kommenden Jahr am Ende der Beratungen ab, sondern gleich zu Beginn, bevor Kämmerer Philippe Thomann über die finanzielle Situation Waldbronns berichtete.

Und dann kam sie wieder die „never ending story“ - überschrieben mit: Alle Jahre wieder, nur in diesem Jahr ein wenig schlimmer!

- Verschlechterung der Steuerschätzung im Oktober,

- Kostensteigerung bezüglich Strom und Gas,

- Personalkostensteigerungen, die wahrscheinlich mehr als 3% ausmachen. Man spricht von 7 %.

Bei ordentlichen Erträgen von 35.5 Mio. Euro und Aufwendungen von 39.2 Mio. Euro würde das zu einem Minusbetrag von 3.7 Mio. Euro im Ergebnishaushalt führen. Zudem muss der Fehlbetragsvortrag aus dem Jahr 2020 in Höhe von 2.621 Mio. Euro mit dem Basiskapital 2023 verrechnet werden. Diese Verrechnung wiederholt sich in den nächsten Jahre. Das bedeutet, dass die Gemeinde ihre Ressourcen nicht erwirtschaften kann und somit einen Vermögensverlust erleidet. Das kann wiederum die Rechtsaufsichtsbehörde auf den Plan rufen, die geplante Kreditaufnahmen reduzieren bzw. sogar nicht genehmigen kann.

Die in den nächsten Wochen folgenden Haushaltsberatungen werden interessant.

Im Namen der Fraktion:

Kurt Bechtel, Angelika Demetrio-Purreiter, Volker Becker